1. Mai 2022 _ Frieden, Freiheit, Solidarität
Folgend finden Sie den Abdruck der Rede von Kerstin Camenisch
„Es freut mich sehr, heute den 1. Mai gemeinsam mit euch feiern zu können. Das diesjährige Motto des 1. Mai lautet: «Frieden, Freiheit, Solidarität“. Leider müssen wir in der heutigen Zeit eine Entwicklung beobachten, die dem Motto widerspricht. In Europa herrscht Krieg und Menschenrechte und die freie Meinungsäusserung werden mit Füssen getreten. Diesen Missständen können wir nur gemeinsam, solidarisch, Herr werden.
Seit 132 Jahren wird der 1. Mai gefeiert. Als am Ende des 19 Jahrhundert in Chicago rund 1000 Arbeiter einer Fabrik für landwirtschaftliche Geräte für einen 8 Stunden Tag in einen Streik traten, wurde diese Kundgebung blutig zerschlagen. Was dazu führte, dass am folgenden 1. Mai in den ganzen Vereinigten Staaten die Menschen sich solidarisch zeigten und für die Rechte der Arbeiterklasse auf die Strasse gingen. Was damals gegolten hat, gilt auch heute noch. Forderungen können nur mit der Kraft der Gemeinschaft – zäme & solidarisch – durchgesetzt werden.
Solidarität heisst, sich einsetzen.
Solidarität heisst, die Gemeinschaft zu sehen.
Solidarität heisst sehen, wem es nicht gut geht.
Solidarität heisst, dafür sorgen, dass es diesen Menschen auch besser geht.
Solidarität heisst auch Kampf gegen jegliche Diskriminierung. Frauen erhalten durchschnittlich immer noch rund 18% weniger Lohn als Männer. Das gilt es zu korrigieren. Es geht eigentlich ganz einfach: Die Unternehmen wenden einfach das bestehende Gleichstellungsgesetz an, das die Lohndiskriminierung verbietet. Das braucht keine Zivilcourage, nur konsequentes Handeln.
Parallel dazu brauchen wir eine Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient.Armutsbekämpfung, anständige Kinderzulagen, familienverträgliche Arbeitsbedingungen und familienergänzende Kinderbetreuung, Tagesschulen, Blockzeiten sind gefragt. Das Limmattal kann es sich nicht leisten auf die Arbeitskraft von Frauen zu verzichten. Ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist ein JA zu zur kantonalen Elternzeit-Initiative am kommenden 15. Mai. Zäme können wir eine Verbesserung erreichen.
Solidarität heisst, sich gemeinsam für Frieden und Freiheit und gegen Bedrohungen einzusetzen. Man kann Frieden und Freiheit nur als Gemeinschaft erreichen. Aktuell wird ein souveräner, demokratischer Staat brutal attackiert. Wenn wir die Ukraine in ihrem Kampf gegen den grausamen Aggressor unterstützen, dann tun wir dies nicht nur für die Ukrainer. Wir tun dies auch für uns. Denn als kleines Land sind wir darauf angewiesen, dass das Völkerrecht und unsere freiheitlichen und rechtsstaatliche Ordnung respektiert wird. Statt über die Definition von unserem neutralen Staat zu diskutieren, sollten wir uns alle mit der leidtragenden Bevölkerung nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen kriegs- oder krisenbetroffenen Ländern – wie Syrien oder Afghanistan solidarisch zeigen und Jede und Jeder von uns sollte den für sie oder ihn möglichen Teil zu einem schnellen Kriegsende beitragen. Solidarität verheisst der gesamten Gesellschaft eine Verbesserung. Wenn wir Frieden und Freiheit für andere verteidigen, verteidigen wir auch die unsrige.
Wenn wir Öl und Gas aus Russland und anderen Unrechtsstaaten beziehen, dann finanzieren wir nicht nur Schurkenregime, die ihre eigene Bevölkerung unterdrücken, sondern wir machen uns von diesen abhängig und verleugnen unsere Grundwerte, auf denen unsere Gesellschaften aufgebaut sind. Es reicht nicht, nun einfach Gas und Öl aus anderen Diktaturen zu kaufen. Wir müssen jetzt so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umstellen und bis wir soweit sind, müssen wir Gas und Öl sparen. Auch hier können wir solidarisch etwas bewegen. Wenn jeder von uns die Heizung ein bisschen zurückdreht und einen Pullover mehr anzieht, ein bisschen weniger warmes Wasser braucht und anstatt ein Vollbad einlaufen zu lassen, kurz sich duscht, ein bisschen weniger Auto fährt und das Velo oder den ÖV benutzt, dann können wir gemeinsam etwas bewirken. Es war noch nie einfacher, etwas für das Klima und gleichzeitig etwas für den Frieden, Demokratie und Freiheit zu tun als heute. Zäme und solidarisch können wir etwas bewirken. Wir haben es in der Hand.
Aber nicht nur Solidarität mit Menschen in der Ukraine und in anderen Krisenherden ist in unserem eigenen Interesse. Solidarität ist auch notwendig in unserer nächsten Umgebung – auch hier bei uns im Limmattal. Wir müssen den benachteiligten und bildungsfernen Menschen bei uns helfen, dass diese eine Chance auf ein anständiges Leben haben. Es braucht Bildung und Förderung für alle, so dass alle Menschen bei uns eine Perspektive haben, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen. Wenn wir uns hier für die Benachteiligten einsetzen, dann geht es uns allen besser, denn eine Gesellschaft ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
Nur dann, wenn ein klares Bekenntnis zur Demokratie, zum sozialen Ausgleich, zumfriedlichen Zusammenleben der Kulturgemeinschaften und zum nachhaltigen Umgang mitunseren Ressourcen erfolgt, wird unsere Gesellschaft auch langfristig in Frieden und Freiheit solidarisch zusammenleben können.
Der 1. Mai ist ein Tag, an dem wir uns treffen und uns gemeinsam für unsere Ziele einsetzen. Er ist ein Tag der Hoffnung, und er ist auch ein Tag des Mutes und des Widerstandes, gerade in Ländern, in denen die Bevölkerung nicht in Frieden und Freiheit lebt. Denken wir an alle, die heute rund um die Welt den 1. Mai feiern und sich für Frieden, Freiheit und Solidarität einsetzen.
Was vor 132 Jahr zum Ziel geführt hat, wird uns auch jetzt weiterhelfen. Zäme und solidarisch können wir viel erreichen.