Pflegeinitiative

Pflegeinitiative
Dem Applaus Taten folgen lassen

Im November 2017 wurden der Bundeskanzlei 114 000 Unterschriften für die Pflegeinitiative übergeben. Nicht erst seit dem Ausbruch des Corona-Virus‘ ist der Pflegenotstand Realität: Er gelangte dadurch nur sehr prominent in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte.

Vorab stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu diesem Personalmangel in Spitälern und Altersheimen kommen konnte. Seit dem Jahr 2005 werden stationäre Behandlungen in Spitälern mit einer sogenannten Fallpauschale vergütet. Davor wurde die Liegezeit der Patientinnen und Patienten mit einer Tagespauschale vergütet. Ziel war es, in den Spitälern – die den grössten Block der Gesundheitskosten ausmachen – die Liegezeiten zu senken und somit Kosten zu sparen.
Gleichzeitig erhielten die Spitäler dabei einen Anreiz, ihre Kostenstruktur umzubauen, um sich so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dabei wurde darauf geachtet, dass das Pflegepersonal möglichst viel Zeit beim Patienten verbringen kann. Die Arbeit wurde so verdichtet. Man zielte auch darauf ab, die Umsätze zu erhöhen. Dieser Logik folgend trafen Sparrunden die Kostenstellen, sprich: hauptsächlich das Pflegepersonal. Die Anzahl Kostenträger – also Ärzte und anderes medizinisches Personal, das zu einer eigenen Abrechnung berechtigt ist – wurde erhöht.

Besorgniserregende Unterbesetzung
Dieser Umstand hat dazu geführt, dass derzeit schweizweit 11 700 Pflegestellen unbesetzt sind. Infolge des demographischen Wandels wird der Anteil Pflegebedürftiger in Heimen und Spitälern weiter ansteigen, sodass bis zum Jahr 2030 weitere 70 500 Pflegende nötig sein werden. Diese Pflegerinnen und Pfleger müssen dringend ausgebildet werden, was unweigerlich einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten nach sich zieht. Darüber hinaus müssen die Arbeitsbedingungen auf den Stationen dringend verbessert werden. Derzeit sind Unterbesetzungen auf den Stationen nichts Aussergewöhnliches mehr. Neben der Tatsache, dass dies das Personal unnötig strapaziert, gefährdet es die Sicherheit der Patienten, weil die Zeit fehlt, alle Arbeiten korrekt zu verrichten.

 

Arbeitsbedingungen ­verbessern
Der Personalbestand muss so schnell als möglich erhöht werden. Das gibt eine grössere Planungssicherheit für die Stationsleitungen: Ausfälle können so leichter abgefedert werden. Damit ist es aber noch nicht getan. Um den Beruf weiter attraktiv zu halten, ist eine Lohnerhöhung unumgänglich. Zudem müssen die Arbeitsbedingungen familienfreundlicher gestaltet werden, um Berufsausstiege zu verhindern. Dies kann auch durch eine höhere Qualifikation des Personals erreicht werden. Das würde nicht nur zu einer höheren Sicherheit der Patienten führen, sondern sich wiederum kostensparend auswirken und das Gesamtsystem entlasten: Durch eine qualitativ bessere Pflege sind unnötige Wiedereintritte verhinderbar. Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, wäre es auch vorstellbar, dass Pflegefachpersonen einfache ambulante Behandlungen gegenüber der Krankenkasse selbst abrechnen dürften. Das würde einerseits das Berufsbild mittels anspruchsvollerer Aufgaben attraktiver machen, andererseits würde es die Ärzteschaft entlasten. Zudem könnten die Kosten für das gesamte schweizerische Gesundheitswesen gesenkt werden.